Am 08.09.2021 ging der Prozess um den Angriff auf das jüdische Restaurant Shalom und seinen Inhaber zu Ende. Der einzige Angeklagte Kevin Arbeit, zuletzt wohnhaft in Wiegersen, im Landkreis Stade, wurde dabei zu lediglich einem Jahr und einem Monat, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung verurteilt. Die (noch nicht rechtskräftige) Verurteilung erfolgte wegen gefährlicher Körperverletzung und schwerem Landfriedensbruch. In das Strafmaß miteinberechnet war zudem eine weitere Verurteilung aufgrund des Handels mit synthetischen Drogens auf einem Hardstyle-Festival in Hünxe (NRW).
Kevin hatte am Rande der rassistischen Aufmärsche am 27. August 2018 in Chemnitz das jüdische Restaurant Shalom mit etwa 10 weiteren Vermummten überfallen, den Wirt dabei antisemitisch beleidigt und ihn, sowie das Gebäude mit Steinen beworfen. Glücklicherweise wurde der Wirt damals nur leicht an der Schulter verletzt.
Damals hatte der offensichtlich judenfeindliche Angriff noch für bundesweite Empörung gesorgt. So überrascht das für den polizeibekannten Neonazi Kevin Arbeit milde Urteil, ebenso wie das weitesgehende Ausbleiben von Empörung über dieses.
Besonders fatal erscheint die Bewährungsstrafe mit Blick auf seine politsche Vorgeschichte als Neonazikader, die weder im Prozess noch in der begleitenden und nachbereitenden Berichterstattung eine Rolle gespielt hat. Dies war wohl auch der Taktik von Arbeit und seiner Verteidigung zu verdanken, möglichst wenig Szenebindung erkennen zu lassen, sprich: Kein Szeneanwalt, keine Neonazikameraden im Saal, keine politischen Verlautbarungen. (siehe die Prozessbeobachtung von ARC).
Gleichwohl wurde Arbeit vom Betreiber der Neonazikneipe “Bulls Eye” zum Prozess gebracht und wieder abgeholt. Warum der Wirt, Leon Ringl, mit dem Arbeit sich für den 27.08.18 in Chemnitz verabredet hatte nicht als Zeuge im Prozess geladen war, bleibt schleierhaft. Es drängt sich geradezu auf, dass auch dieser unter den vermummten Angreifern war.
In jedem Falle hätte eine kurze Internetrecherche genügt um der Person Arbeit mit Blick auf seine politischen Aktivitäten eine angemessene Sozialprognose geben zu können.
Denn Kevin ist schon seit über 10 Jahren fester Bestandteil der Neonaziszene. Erste Schritte machte er bei den Jungen Nationalisten im Landkreis Stade, als eine Art politischer Ziehsohn des Altnazis Adolf Damann. In den darauf folgenden Jahren wurde er einer der aktivsten Neonazis in der Region und fiel mit diversen Aktionen und gewaltbereiten Übergriffen gegen politische Gegner*innen auf. Etwa unter dem Label “Nationaler Widerstand Tostedt” oder “Weiße Wölfe Terror Crew” agierte er u.a. gemeinsam mit den als sehr gewaltbereit bekannten Tostedter Neonazis. Die maßgeblich vom Neonazi und Mörder Stefan Silar geschaffenen Strukturen versuchten unter Ausübung schwerer Gewalttaten in und um Tostedt eine “National befreite Zone” durchzusetzen.
Die scheiterte – unter anderem auch am antifaschistischen Widerstand ( siehe Kampagne “Landfriedensbruch”).
In Chemnitz tauchte er erstmalig ab 2015 beim “Rechten Plenum” auf, einer Nachfolgeorganisation der “Nationalen Sozialisten Chemnitz”. Auch diese waren für gewalttätige Übergriffe und ihre Versuche einen “Nazi-Kiez” zu etablieren bekannt.
Nach der Selbstauflösung des “Rechten Plenums” trat er immer seltener in Erscheinung. Er blieb aber offensichtlich strammer Neonazi und Antisemit, so zeigte er sich auf Social Media etwa mit dem extrem gewaltbereiten bis unzurechnungsfähigen Braunschweiger Neonazi Lasse Richei oder auf dem neonazistischen “Schild und Schwert”-Festival in Ostritz.
Arbeits Tat in Chemnitz ist also absolut kein Einzelfall, es ist lediglich jahrelangem polizeilichem, politischem und juristischem Versagen bzw. Unwillen geschuldet, dass er nicht schon lange in Haft sitzt.
Es ist zu hoffen, dass es nicht bei diesem blamablen Urteil als einziger Konsequenz des antisemitischen Überfalls der Neonazis bleibt.
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Mehr zum Prozess auf https://chemnitz.noblogs.org/